Plattform für Psychodrama Sexual- und Paartherapie
Aspekte nicht-heteronormativer und LGBTIQ*- affirmativer Paar- & Sexual- Therapie
Motivation zum Schreiben dieser Arbeit ist die mir oft gestellte Frage, ob Psychotherapeut*innen mit LGBTIQ*-Schwerpunkt sich selbst einer LGBTIQ*- Identität angehörig fühlen müssen um mit LGBTIQ*-Personen arbeiten zu können. Grundsätzlich antworte ich mit einer Gegenfrage, ob demnach Therapeut*innen nur dann mit depressiven Personen arbeiten können, wenn diese selbst persönliche Erfahrungen mit Depressionen bewältigt haben? Klare Antwort: NEIN.
Im Rahmen der therapeutischen Arbeit kann die Mehrzahl der Therapeut*innen früher oder später mit LGBTIQ*-Themen in Berührung kommen und ich stelle definitiv nicht in Frage, dass auch ohne intensive Auseinandersetzung mit LGBTIQ*-Themen und Theorien therapeutisch qualitative Arbeit geleistet werden kann – DOCH bin ich ein Verfechter davon, dass Therapeut*innen, welche mit LGBTIQ*-Schwerpunkt, gay-, homofriendly oder gay- und transaffirmative Psychotherapie/Sexualtherapie werben, mehr (theoretisches) Wissen, kurz Fachkompetenz, aufweisen müss(t)en: eine rein LGBTIQ*-offene bzw. -freundliche Grundhaltung, welche ich im 21. Jahrhundert und unter Beachtung geltender Menschenrechte und der österreichischen Verfassungs- und Gesetzeslage allen Therapeut*innen in Österreich als Grundhaltung auferlege, reicht demnach nicht aus.
Zurück zur Anfangsfrage:
Theoriebezogen lässt sich auf die Frage, ob Therapeut*innen selbst der LGBTIQ* Lebensweise angehören sollten, mit Rauchfleisch (2001) beantworten: Rauchfleisch1 weist darauf hin, dass die Frage von Klient*innen nach der sexuellen Identität der Therapeut*innen als „Auseinandersetzung mit dem Trennenden – oder gegebenenfalls dem Verbindenden“ (Höfner, Ginkel, Käfer- Schmidt, 2019; Rauchfleisch, 2001) in Zusammenhang gebracht werden kann,
deren Relevanz im therapeutischen Kontext durchaus zu erarbeiten, zu hinterfragen ist. Weiters formuliert Rauchfleisch (2001), dass eine derartige Offenlegung Therapeut*innen auf der einen Seite, im Sinne der, von der Psychodramatikerin Hildegard Pruckner proklamierten Arbeit auf der Begegnungsbühne, Vertrauensvorschuss gestaltet und Klient*innen so im therapeutischen Prozess rascher zu Scham- und Schuldfreiheit (v.a. in Bezug auf internalisierte LGBTIQ*-Negativität) gelangen können. Auf der anderen Seite ermöglicht das Wissen um den LGBTIQ*-Hintergrund der Therapeut*innen Klient*innen leichter eine Bühne zur Identifikation. Therapeut*innen können durch „verschiedene Teilidentifikationen zum Identifikationsobjekt“ (Roth, 2002; zit. nach Höfner et. al., 2019) werden, fehlen doch vielen LGBTIQ*-Personen Identifikationsfiguren, Leitbilder und sichtbare Beziehungs- und Familienmodelle (Höfner et. al., 2019)2.
Weites unterstelle ich, dass Klient*innen, welche mit speziellen LGBTIQ*- Themen bewusst in LGBTIQ*-spezifische/freundliche therapeutische Behandlung kommen, Fachwissen über entwicklungspsychologische Aspekte von LGBTIQ*s und deren Lebensweisen voraussetzen können. Dieses vorhandene Fachwissen eröffnet eine Bühne um im geschützten therapeutischen Rahmen, fernab der heteronormativen Mehrheit sowie heteronormativen und binären Vorannahmen, persönliche Entwicklungsprozesse durchlaufen/nachentwickeln zu können. Gay- und transaffirmative Therapie ermöglicht es LGBTIQ*-Klient*innen eine fachliche qualitative Unterstützung, anstatt einer/eines Mitsuchenden im LGBTIQ*-Bereich zu erhalten.
Vorliegende Arbeit dient als Leistungserbringung für den 4. Weiterbildungslehrgangs Paar- und Sexualtherapie im Sinne eines kurzen theoretischen Abrisses der Thematik. Weiters hoffe ich, dass es Interessent*innen als Erwärmung zur Auseinandersetzung mit LGBTIQ*-Themen dienen kann. Auch hoffe ich, dass sie Manuela & Wolfgang Hofer als Anregung dient, LGBTIQ* in den bisher heteronormativ und binär orientierten Weiterbildungslehrgang, zumindest in Form eines Einführungsblocks aufzunehmen, entspricht LGBTIQ* doch durchaus psychotherapeutischer (Alltags-/Arbeits-) Realität.