Plattform für Psychodrama Sexual- und Paartherapie

Sexualtherapie-Konzepte im Überblick

Wie auch im curriculum angedeutet, hat die Psychodrama Sexualtherapie unterschiedliche Wurzeln und ein bestimmtes Menschenbild.

Jede Sexualtherapieform wird wohl Sigmund Freud und Wilhelm Reich als zentrale Impulsgeber der modernen Konzepte für die Behandlung sexueller Probleme ansehen. Die für die Sexualtherapie heute allerdings wichtigsten Entwicklungen fanden in Amerika nach dem zweiten Weltkrieg statt. Masters und Johnson, sowie Kinsey erforschten das Liebesleben der Menschen in bis dahin nicht gekannter Form und entwickelten auch erste Behandlungsmethoden. Diese waren noch eher einfach, aber bereits oftmals wirksam. Helen Singer-Kaplan schuf darauf aufbauend bereits ein gutes Behandlungsrepertoire für sexuelle Störungen. Alles war aber noch sehr symptombezogen.  

Erst das Hamburger Modell der Sexualtherapie, durchgeführt in einer Klinik in einem dreiwöchigen Intensivtraining integriert nach unserem Verständnis die verschiedenen Ebenen, die Menschen zur Gestaltung ihrer Paarsexual- und -liebesbeziehung brauchen: Zeit, Ruhe, Stressreduktion und die (Wieder-) Belebung der partnerschaftlichen liebevollen Begegnung als zentrale Faktoren, die neben einem Therapieplan den Erfolg einer Sexualtherapie ausmachen.

Rollenbeschreibung PD-SexualtherapeutInnen

Die TherapeutInnen von Liebesexundtherapie haben einen ganzheitlichen Ansatz, der sowohl die körperlichen als  auch die seelischen Vorgänge, die unsere Sexualität steuern, berücksichtigt und sich mit ihnen lösungsorientiert beschäftigt. Ziel dabei ist, die Qualität des Erlebens von Liebe und Lust zu verbessern durch Reduktion von Hemmungen, Stress und Druck, die die menschliche Sexualität massiv beeinträchtigen können. Soweit notwendig werden die Ursachen für diese Einschränkungen psychotherapeutisch erfasst und bearbeitet. Das Konzept von Liebesexundtherapie ist praxiserprobt und wird ständig weiterentwickelt.

Psychodrama Sexualtherapie ist die Verknüpfung von Sexualberatung mit den Möglichkeiten einer psychotherapeutischen Behandlung von tieferliegenden Gründen für Probleme in den Bereichen Sexualität, Liebe und Begegnung mit der Partnerin/dem Partner.

Die folgenden Untermenüpunkte präsentieren Ihnen die verschiedenen methodischen Einflüsse von SexualtherapeutInnen. Es werden, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, VertreterInnen und deren Ansätze beschrieben oder kommentiert. Wo möglich werden Querverbindungen zur Psychodrama-Sexualtherapie hergestellt. Die AutorInnen der einzelnen Artikel haben auf individuelle Art die inputs gestaltet und hervorgehoben, was ihnen in der therapeutischen Praxis bisher als Brauchbar erschien.

AutorIn: 

W.Hofer, MSc


Inputs von Ruth Westheimer

Ruth Westheimer ist eine jüdische deutsch-US-amerikanische Sexualtherapeutin und Sachbuchautorin.

"Auch denken heute viele, Viagra sei ein Allheilmittel. Wenn ein Mann mit einer Erektion vom Boden bis zur Decke nach Hause kommt, zuvor aber nie das Geschirr abgewaschen, immer ihren Geburtstag vergessen und sie nie zum Essen ausgeführt hat, dann wird diese Frau ihm schon sagen, wohin er sich seine Erektion stecken kann. Die zwischenmenschliche Beziehung muss stimmen, wenn der sexuelle  Verkehr klappen soll." - auf die Frage, ob sie eine Freundin von Viagra sei, Stern Nr. 25/2008 vom 12. Juni 2008.

Ihre herzliche, absolut unverblümte und unübertroffen optimistische Art, über Sexualität zu sprechen und zu schreiben, hat sie zur berühmtesten Sexualtherapeutin Amerikas gemacht. Die deutschstämmige Jüdin hat im Holocaust ihre gesamte Familie verloren, ist nach dem Krieg nach Palästina ausgewandert und als Scharfschützin einer zionistischen paramilitärischen Unergrundorganisation beigetreten. Später hat Ruth Westeimer an der Sorbonne Psychologie sudiert und ist 1956 in die USA emigiert. Dort heiratete sie und promovierte an der Columbia Universty in Soziologie. Als Dr. Ruth startete sie in den 80er-Jahren mit der Radiosendung "Sexually Speaking" ihren Weg in die Öffentlichkeit. Ihr großer Verdienst ist es, mit Herzlichkeit, Kompetenz und absolut ansteckender Zuversicht über Sexualität und Sexualität im Alter offen zu sprechen und damit ein Tabu zu brechen.In zahllosen Fernsehauftritten, in  Büchern und als Dozentin an renommierten Unis wie Yale, Priceton und Harvard wirbt sie bis heute unermüdlich – jetzt schon über 80 Jahre alt, für lustvollen Sex in jedem Alter. Ihre direkte, klare Sprache und ihre einfach umsetzbaren Tipps ermutigen auch Menschen, die glauben, das Thema Sex für sich schon abgehaken zu müssen.

„Ich finde einfach keinen passenden Mann“, "Ich finde einfach keine passende Frau", höre ich oft in meiner Praxis.

Ein bisschen nachgefragt und schnell wird klar: Die betreffende Frau oder der betreffende Mann arbeitet 14 Stunden am Tag, ihr/sein Lieblingssport ist Joggen im stillen Wald, die Wohnung befindet sich im letzten Haus an der Straße, das Wochenende ist dem Besuch der alten Eltern gewidmet oder dem DVD-Schauen auf dem Sofa, allein. Dann lese ich mein Ruth-Westheimer-Lieblingszitat vor:

„Mein Rat: Gehen Sie aus dem Haus! Das klingt vielleicht albern, weil es so offensichtlich ist. Doch Sie werden überrascht sein, wie vielen Menschen das anscheinend nicht bewusst ist. Jede Minute, die Sie zu Hause verbringen, ist eine Minute, in der praktisch keine Hoffnung besteht, jemanden zu finden. Es sei denn, Sie verabreden sich über das Internet. Doch selbst dann müssen Sie das Haus verlassen, um denjenigen zu treffen, da es zu riskant ist, solche Bekanntschaften gleich zu sich nach Hause einzuladen."

Zitiert aus Dr. Ruth Westheimer, Silver Sex, 2010 – Es hat noch niemanden gegeben, den ich damit nicht zum Lachen gebracht hätte.

Bei Menschen, die so verzweifelt sind, dass sie auch derart warmen Humor als Zynismus wahrnehmen, wartet man besser mit dem Einsatz von Ruth Westheimers Literatur im sexualtherapeutischen Prozess. Für alle anderen gilt: Einfach Lesen und Genießen.

Oder sich Ruth Westheimer, ein wunderbares Rolemodel für gelebte Liebe und Lebendigkeit trotz Zerstörung und Tod, ansehen und genießen.

Dr. Ruth Westheimer in einem Video Interview mit Kerner© und dazu der Link zu einem Interview im NDR 2009 anläßlich einer Buchneuerscheinung, die 10 Geheimnisse.

AutorIn: 

Sabine Kistler, Mag.


Inputs von Helen Kaplan

Helen Singer Kaplan (6. Februar 1929 - 17. August 1995) war eine in Wien geborene amerikanische Sexualtherapeutin, Ärztin, Psychoanalytikerin und die Gründerin der ersten Klinik für sexuelle Störungen in den Vereinigten Staaten, der Payne Whitney Clinic des New York Hospital.

Die ausgesprochen talentierte Psychoanalytikerin und wissenschafts-orientierte Sexualtherapeutin rief ein systematisch und groß angelegtes bedeutendes Sexualforschungs- und -Lehrprogramm ins Leben.

Singers zentrale Leistung ist die Erforschung des sexuellen Verlangens, der Störungen des sexuellen Verlangens und die Entwicklung von Behandlungsmethoden für diese Störungen. Ihre Vorgänger Masters und Johnson hatten sich auf Funktionen und Dysfunktionen der Geschlechtsorgane konzentriert. Singer war auf die Idee dazu gekommen, als sie feststellen musste, dass Masters und Johnsons fokussierte Sensualitätsübungen bei einer Reihe von PatientInnen nicht griffen.

„Diese Patienten waren impotent oder litten unter Orgasmusstörungen, hauptsächlich deshalb, weil sie den Geschlechtsakt vollzogen hatten, ohne Lust und Verlangen zu verspüren. Wir wiederum hatten versucht, die sekundären genitalen Dysfunktionen zu behandeln, ohne uns der zugrunde liegenden Appetenzstörung bewusst zu sein.“ 1) Masters und Johnson waren davon ausgegangen, dass Ursache für alle sexuellen Unzulänglichkeiten Leistungsdruck sei – und dafür eignen sich die fokussierten Sensualitätsübungen hervorragend.

Helen Singer begann im prüden Amerika der 60er Jahre und plädierte offen für einen freieren, autonomeren, genussvolleren Umgang mit Sexualität. Für ihre Forschung befragte sie Tausende von Paaren und zeichnete sich hier durch absolute Präzision aus.

Eine wichtige Beobachtung war, dass Patienten, die unter der psychogene bedingten Form verminderter sexueller Appetenz leiden, „ihre sexuelle Empfangsbereitschaft buchstäblich abschalten“, “indem sie sich auf die negativen Qualitäten ihrer Partner konzentrieren und gegenüber ihren attraktiven Merkmalen gewissermaßen blind sind“. Umgekehrt betonen Menschen ohne verminderte sexuelle Appetenz das Positive und vermeiden das Negative, um ihre sexuelle Lust zu steigern.

Als Ursache für Störungen des sexuellen Verlangens diagnostizierte Singer häufiger als bei Menschen mit Anorgasmie, Vaginismus oder Ejaculatio praecox tiefgehende intrapsychische sexuelle Konflikte und Schwierigkeiten innerhalb ihrer Beziehung sowie häufig Persönlichkeitsstörungen.

Daraus ergab sich für Singer die Notwenigkeit, in der Behandlung neue Wege zu gehen. Wie ihre Vorgänger bearbeite sie die zugrunde liegenden Schwierigkeiten und  Konflikte. Parallel dazu entwickelte sie spezifische sexuelle Hausaufgaben, die direkt das sexuelle Verlangen ihrer PatientInnen steigern. Den behaviouralen Ansatz zur Beseitung der Sexualangst hingegen nahm sie zurück.

Es wird „explizites, erotisches Material, die sexuelle Fantasie, Masturbation und verbesserte Methoden der genitalen Stimulation in das Behandlungsmuster aufgenommen.“ Singer spricht mit ihren Patienten in den Sitzungen ausführlich z.B. über deren Praktiken beim Vorspiel und entwickelt dann konkrete Hausaufgaben zur Behebung der Defizite, die sich herauskristallisieren, z.B. für das jeweilige Paar neue Formen von Küssen, Streicheln, Berühren, Verführen, den Einsatz von Spielzeug etc. Außerdem regt sie Veränderungen im täglichen Umgang miteinander an, um ein Klima von Respekt, Aufmerksamkeit und Freundlichkeit zu kreieren, das Grundlage für die Lust aufeinander darstellt.

In der Psychodrama-Sexualtherapie werden die fokussierten Sensualitätsübungen auch dann eingesetzt, wenn die betreffende sexuelle Störung nicht primär durch Leistungsdruck in Bezug auf die Sexualität verursacht wird oder wenn das Paar auf sexuellem Gebiet gut miteinander auskommt, aber z.B. Kommunikationsprobleme hat.

Was verbindet PD Sexualtherapie mit H. Singer Kaplans Ansätzen?

Die PD-Sexualtherapie kombiniert die Bearbeitung der Psychodynamik des Paares mit Übungen für einen Partner aus dem behavioralen Repertoir (z.b. die Stopp and Go-Übung bei Ejaculatio Praecox) mit den fokussierten Sensualitätsübungen. Die Erfahrung zeigt, dass dieses körperliche Miteinander Sprechen - ohne die Ziele Erregung und Orgasmus - in der Regel eine Entlastung des belasteten Paares erwirkt. Gefühle wie Geborgenheit, Nähe und Angenommen-Sein werden ermöglicht, auch wenn andere Konflikte oder sexuelle Störungen noch nicht gelöst sind. Zudem sind Paare des 21. Jahrhunderts in den meisten Fällen durch die modernen Arbeitsbedingungen wie räumliche und zeitliche Flexibilität und die ständige Verfügbarkeit über die neuen Medien zusätzlich belastet. Die Übungen von Masters und Johnson sind aktueller denn je.

Außerdem lässt sich Singers Idee, mit dem Paar neue erotische Szenarien zu entwickeln, wunderbar psychodramatisch umsetzen. In der Psychodrama-Sexualtherapie kann das Paar alles durchspielen, indem es z.B. in die Rolle der Haut oder der Geschlechtsorgane schlüpft und die Empfindungen, positive wie negative, durchgeht. Sehr effizient ist hier auch der Rollentausch, bei dem der Mann z.B. in die Rollen der Brüste , der Haut oder Vagina seiner Frau geht und die Frau in die Rollen der Haut, der Brustwarzen, des Penis ihres Mannes. So können Ängste und Fragen schon in der Sitzung bearbeitet werden und mit Unterstützung des Therapeuten/ der Therapeutin Ideen und Fantasien entwickelt und spielerisch ausprobiert werden.

Eine berühmte Schülerin von Helen Singer ist Ruth Westheimer.

Quellen:

Helen Singer Kaplan: „Sexualtherapie bei Störungen des sexuellen Verlangens.“

http://sexual-communication.wikispaces.com/Kaplan%E2%80%99s+Triphasic+Model

Buchtitel H. Singer Kaplan:

"New Sex Therapy: Active Treatment of Sexual Dysfunctions" (Random House, 1974), "Disorders of Sexual Desires and Other New Concepts and Techniques in Sex Therapy" (Brunner-Mazel, 1979), "The Evaluation of Sexual Disorders: Psychological and Medical Aspects" (Brunner, 1983), "The Illustrated Manual of Sex Therapy" (Brunner; 2d ed., 1987), "How to Overcome Premature Ejaculation" (Brunner, 1989), and, with Donald F. Klein, "Sexual Aversion, Sexual Phobias and Panic Disorder" (Brunner, 1987).


Inputs aus Brainspotting

Brainspotting ist ein von David Grand entwickelter Behandlungsansatz für die Traumabearbeitung. Er hat ihn aus dem EMDR (Eye movement desensitization and reprocessing, auf Deutsch heißt dieses Wortungetüm Augenbewegungs-Desensibilisierung und Wiederaufarbeitung) entwickelt. Brainspotting gilt als anerkannte körperorientierte und tiefenpsychologische Methode zur Verarbeitung von psychischem oder traumatischem Stress.

Beiden Methoden gemeinsam ist, dass der Einstieg in die Behandlung mit den Augen beginnt. Beim Erzählen einer belastenden Situation fixieren die Augen sich oft auf einen bestimmten Punkt an der Wand, am Boden oder an einem bestimmten Punkt der Erzählung findet ein markanter Augenreflex statt. Beim EMDR wird dazu mit einem bestimmten Protokoll und einigen Techniken ein sehr komplexer, wie Kritiker (wie ich) dazu anmerken, zu komplizierter Prozess durchgeführt. Der Name Brainspotting bezieht sich ebenfalls auf den Punkt, den wir bei der Traumaerinnerung fixieren und der einen Punkt im Gehirn antriggert (ansteuert), den Brainspot, der den Prozess der Bearbeitung ins Rollen bringt. Brainspotting verzichtet auf ein kompliziertes Protokoll und geht gleich in den Bearbeitungsprozess, der nicht nach einem Plan abläuft, sondern spontan entwickelt wird, wie es das Trauma vorgibt.

Sowohl im EMDR als auch bei Brainspotting passiert dann Folgendes: Der Patient erzählt seine traumatische Erfahrung. Das Trauma wird erkundet und der Patient setzt sich dem, was dann  passiert, aus.  Er/sie konfrontiert sich mit dem Schlimmen, das ihm/ihr widerfahren ist. Man könnte befürchten, dass dies retraumatisierend wäre. Die langjährigen Erfahrungen mit beiden Methoden zeigen, dass das nicht so ist. Im Gegenteil: Die mit dem Therapeuten/der Therapeutin durchgelebten körperlichen und psychischen Prozesse, die das Trauma ausgelöst hat, wie zB. andauerndes Engegefühle in der Brust, Schmerzen, Verspannungen führen zu einer neuen, wesentlich entspannteren neuronalen Vernetzung. Das heißt, im emotionalen seelischen Gefüge wird die Erfahrung, diese traumatische Belastung mit einem Menschen als Begleiter unbeschadet überstanden zu haben, als Entlastung wahrgenommen. Die Sicherheit der TherapeutInnen ist dabei natürlich eine Grundvoraussetzung.

Brainspotting nutzt die Neuroplastizität des Gehirns zur Traumaverarbeitung ohne therapeutische Hypothesen oder Deutungen, sondern durch eine akzeptierende und neugierig-beobachtende Grundhaltung. Ziel der Methode ist eine vollständige Auflösung blockierter Erregung im Gehirn und im Körper eines Menschen. Das Brainspotting-Modell lässt sich gut mit allen anerkannten psychotherapeutischen Methoden verbinden, da es die therapeutischen Beziehung und die spezifisch-therapeutische Vorgehensweise nützt.  Auszugsweise zitiert: Thomas Weber

Verbindung von Brainspotting zu Psychodrama

Brainspotting und Psychodrama verbindet das Sich-Einlassen(können) auf das Drama der Erfahrung. Auch wenn sie noch so schlimm war, wir müssen sie in unser Leben integrieren und das geht am besten über einen Prozess, der das Sprachlose, Taube, Schreckliche nochmals in sicherem Rahmen durcharbeitet. Psychodrama bietet eine wunderbare Traumabearbeitung an, die auch die Handlung das als schreckliche Erlebte nachbearbeitet und spielend eine Verarbeitung ermöglicht. Die Integration des Schrecklichen, Schmerzhaften und dauerhaft Belastenden ist auch da das Ziel. Interessant ist, dass auch im Psychodrama viel an Verarbeitung durch das Sehen, das noch einmal genau Hinsehen passiert. Beiden gemeinsam ist auch das körperliche schmerzhafte Erleben, das sich bei der Traumabearbeitung einstellt und dann auflöst oder zumindest deutlich reduziert. Und diese Effekte sind anhaltend. Insoferne ist die Frage, was wird  jeweils wann angewandt eine Frage des Moments und eine, die auch die Grenzen zwischen Psychodrama und Brainspotting als sehr klein erscheinen lässt: Beides sehr hilfreich.

Persönlicher Zugang

Meine Frau Manuela (hat auch die EMDR-Kurse gemacht) und ich haben die Brainsspotting-Ausbildung absolviert und dabei viel dazugelernt. Wir haben uns bestätigt gefühlt, dass das Trauma Zudeckende (wie das manche TraumaexpertInnen wie zB. L.Reddemann empfehlen), immer mit dem Hinweis auf Gefahr der Retraumatisierung, nicht nur für uns nicht passt. In unserer Arbeit haben wir damit die Erfahrung gemacht, dass eben genau diese Bereitschaft, (als TherapeutIn) überall hin mitzugehen in jede Bedrohung und jeden Alptraum für unsere KlientInnen so viel an Entlastung gebracht hat und bringt. Wir haben in der Sexualtherapie-Weiterbildung diese Methode vermittelt und sie wird auch schon von den meisten angewandt.

Sexspotting

Da Psychodramasexualtherapie ein möglichst vielseitig geeignetes Instrumentarium umfassen sollte, ist Sexspotting eine große Bereicherung des Behandlungsrepertoires geworden. Unsere schon in vielen Jahren erprobten Psychodramamethoden zu sexuellen Konfliktfeldern bestehen vor allem im Erlebbarmachen der körperlich-emotionalen-rationalen Mitspieler. Diese können, wenn sie keine Zusammenspieler sind sondern einander bekämpfende und verhindernde Seiten des sexuellen Erlebens, Menschen in ihrer Sexualität so richtig fertigmachen. Für manche Problemstellungen ist Sexspotting die Methode der Wahl geworden.

Für uns ist Sexspotting ein wichtiger Teil eines Weges, der Freiheit im Fühlen und Handeln unterstützt, der Hemmungen und unterdrückte Lebendigkeit auf ihren Platz verweist: dorthin wo sie nicht mehr stören.

Methode

Sexspotting haben wir (Manuela Hofer-Hartnig und Wolfgang Hofer) selbst entwickelt aus unseren Erfahrungen mit Psychodramasexualtherapie und Brainspotting (siehe Brainspotting), das keine sexualtherapeutische Methode an sich ist. Beiden gemeinsam ist, dass sie Hilfe bei sexuellen Traumatisierungen sein können. Da diese eine wichtige Rolle bei sexuellen Problemen spielen können, aber nicht müssen, lag es nahe für uns, Sexualtherapie mit Brainspotting zu kombinieren: zu Sexspotting.  Der Anwendungsbereich von Sexspotting geht aber weit über Traumabehandlung hinaus.   

Psychodramasexualtherapie ermöglicht es, durch das Schlüpfen in die Rollen aller Körperteile (Gehirn, Geschlechtsorgane, Haut, Magen, Herz usw.) wie auch Personen, ein direktes Gefühl für das, was in uns vorgeht und uns gerade Schwierigkeiten bereitet, zu gewinnen.  Das Zusammenspiel der verschiedenen menschlichen „Komponenten“ ist oft rätselhaft, beängstigend

Brainspotting kann Sexualtherapie um einige sehr hilfreiche Facetten bereichern. Es erweitert unsere Möglichkeit sexuelle Probleme anzusehen und zu lösen. Ob durch Traumatisierung, aufgrund einer Beziehungsproblematik oder einer  anderen Störung der sexuellen Aktivität oder der Mischung  verschiedener Faktoren entstanden, macht dabei keinen Unterschied.  Die als schwierig erlebte sexuelle Situation, ob erlebt oder phantasiert, kann in allen Facetten durchgegangen und in den belastenden Teilen empfunden werden. Diese körperlichen, gedanklichen und emotionalen Stressmomente werden mit Hilfe der Brainspottingmethode durchgearbeitet. Es gelingt auf diese Weise sehr einfach und gut, verschüttete und abgespaltene vitale Gefühle und Handlungsmöglichkeiten aus der Hemmung herauszuführen und wieder für das Erleben zugänglich zu machen. Wenn dann mit diesen wiedererwachten Gefühlen und Handlungsoptionen intensiv gearbeitet wird (zB. in einer Sexualtherapie), dann ergeben sich neue Varianten des Liebe-Machen-Könnens und –Wollens.

Die Autoren Manuela und Wolfgang Hofer sind langjährig erfahrene PsychotherapeutIn, Paar- und SexualtherapeutIn in Linz, sie leiten die Weiterbildung Psychodrama Sexualtherapie.

 

 

Buchtipp: Grand, David, Brainspotting - Wie Sie Probleme, Traumata und emotionale Belastungen gezielt auflösen; VAK Verlags GmbH, Kirchzarten bei Freiburg

Youtube links:

Brainspotting Ausbildung: Oliver Schubbe (http://www.traumatherapie.de/) und das österreichische Brainspotting Ausbildungsinstitut http://www.brainspotting-austria.at/home.html bieten Informationen.

AutorIn: 

Manuela Hofer-Hartnig und Wolfgang Hofer,MSc


Inputs von David Schnarch

Jahrgang 1946), amerikanischer Arzt (Urologe), Paar- und Sexualtherapeut, Klinischer Psychologe.

Die reife Form von leidenschaftlicher Partnerschaft gelinge dann, wenn sich beide unabhängig vom Urteil des anderen machten.  Um emotional im Gleichgewicht zu sein, nennt Schnarch vier zentrale Fähigkeiten:

Vier Aspekte der Balance nach D. Schnarch

  1. Der erste Aspekt schafft Klarheit darüber, wer man selbst ist, welche Wünsche und Ziele man verfolgt. Nähe zulassen zu können, auch wenn man sich nicht den Wünschen und Vorstellungen des Partners anpassen möchte.
  2. Der zweite Aspekt betrifft die Fähigkeit, sich selbst zu beruhigen und zu trösten.
  3. Der dritte Aspekt beruht auf den Bemühungen, sich in den anderen einzufühlen und auf schwierige Situationen ruhig und gelassen zu reagieren.
  4. Der vierte Aspekt lässt Kummer  leichter ertragen, wenn man die Gewissheit hat, dass dadurch eine Weiterentwicklung möglich wird.

Für die Psychodrama Psychotherapie sind Schnarchs Überlegungen mit den psychodramatischen Entwicklungsebenen konsistent:

Psychosomatischen Ebene

Auf der psychosomatischen Ebene stehen Nähe und Bindung im Vordergrund, der Basis für das Empfinden von Selbstwirksamkeit  und Sicherheit. Schnarch bestätigt, dass sich der Beginn einer Beziehung deshalb so gut anfühlt, da die Liebenden einander spiegeln, also positives Feedback von einander erhalten.

Psychodramatische Ebene

Damit Liebe aber atmen kann, ist es wichtig, sich nicht nur mit dem Partner/der Partnerin zu befassen, sondern auch mit sich selbst. Die Pole von Nähe und Distanz, der Wunsch nach Verschmelzung und  Abgrenzung ermöglichen erst die Wahrung der eigenen Integrität. Selbstoffenbarung schafft Intimität (Psychodramatische Ebene). Laut Schnarch hat es keinen Sinn, sich in der Paarbeziehung einen Schutzraum sichern zu wollen.

Sex wird dann besser, wenn  “.. man sich aus der Alltäglichkeit befreit, nur die Dinge anzusprechen, die der Partner akzeptiert und hören will.“

Schnarch bezeichnet diese Form von Konfrontation in seinem Buch „Die Psychologie sexueller Leidenschaft“, Differenzierung. Konflikte und Unzufriedenheiten im Bett seien laut Schnarch die beste Möglichkeit, Situationen zu begreifen und zu verändern.

Soziodramatische Ebene

Begegnung erreichen Paare im Handeln und in einem lebendigen Dialog, mit der Fähigkeit sich in den Anderen hinein zu denken, einer Kompetenz, die Sexualität intimer und erfüllender macht .(Soziodramatische Ebene).

 

Schnarch distanziert sich von verhaltenstherapeutischen Übungsprogrammen, wie sie von amerikanischen Sexologen namens Wilhelm Masters, Virginia Johnson oder Helen Singer Kaplan ausgearbeitet wurden.

Der Fokus liegt seiner Erfahrung nach nicht auf dem bloßen physiologischen Funktionieren, sondern darin, sexuelle Intimität und Erotik zu ermöglichen. Sexuelle Intimität entstehe nur, wenn sich die Partner mit all ihren Gefühlen und Ausdrucksmöglichkeiten so zeigen, wie sie wirklich sind, verbunden mit dem Risiko, dass ein Partner darauf nicht unbedingt empathisch reagiert.

Sein Konzept unterscheidet sich vom Mainstream amerikanischer  Paartherapie insofern, als der Hauptakzent nicht auf gegenseitiger emotionaler Unterstützung basiert. Der Umgang mit Krisen, Enttäuschung und der Mut zum Widerstand der Partner erzeuge erst den Anreiz für gemeinsames Wachsen und erfüllende Sexualität.

In meiner praktischen Arbeit hat sich gezeigt, dass Paare vorgeschlagene Übungen der Therapeutin sehr gerne annehmen mit dem Ziel sich gegenseitig zu beruhigen und um wieder zu lernen, einander liebevoll zu berühren. Zu bemerken ist allerdings, dass Paare mitunter auf  unterschiedlichen Entwicklungsstufen  stehen und die von Schnarch erforderlichen vier Aspekte für gelingende Beziehung eine Überforderung bedeuten würde. Hier stellt sich die Frage, ob guter Sex somit nur möglich ist, wenn beide Partner die vier Aspekte beherrschten. Diese Sichtweise käme der nicht erstrebenswerten Forderung nach perfekten Zielen gleich.

In der Psychodrama Paartherapie ist Schnarchs Theorie gut einsetzbar, da die Integration von Gefühlen, der Perspektivenwechsel und der Mut Neues auszuprobieren, mit dem Ziel handlungs-, liebesfähig und lebendig zu sein, wichtiger Bestandteil sind.

 

Quellen:

Intimität und Verlangen, 2009

Die Psychologie sexueller Leidenschaft, 2009

Zeit-online Artikel

AutorIn: 

Regina Beer, MSc


Inputs von Peter A. Levine, PH.D.

Der aus den USA stammende Peter A. Levine ist Doktor der medizinischen Biophysik und der Psychologie. Seit 40 Jahren befasst er sich mit der Entstehung von Traumata und deren Folgewirkungen. Er entwickelte einen körperorientierten Ansatz zur Trauma Heilung - Somatic Experiencing/SE.

Ein Trauma kann entstehen, wenn eine Situation als lebensbedrohlich oder überwältigend wahrgenommen wird. Wie genau sich das Ereignis auf die betroffene Person auswirkt, hängt von der individuellen Widerstandkraft ab. Im Gegensatz zu anderen Heilungsmethoden, welche darauf hinarbeiten, die traumatischen Erlebnisse zu rekonstruieren und erneut gefühlsmäßig zu durchleben, um sie integrieren zu können, meint Peter Levine, dass die Trauma Heilung in erster Linie ein körperlicher Prozess ist. Traumatisierte Menschen fühlen sich oft von ihrem Körper abgeschnitten. Damit Trauma Symptome geheilt werden können, müsse der Mensch fähig werden, sich wieder mit seinem Körper zu verbinden.

Wie entsteht ein Trauma?

Wesentlich für die Entwicklung seiner Methode waren Verhaltensbeobachtungen  von Tieren in freier Wildbahn, die sich in einer Gefahrensituation befanden. Wird ein Tier angegriffen, so aktiviert es vermehrte Energien und reagiert instinktiv mit Flucht  oder Kampf. Ist beides nicht möglich kommt es zum Todstellreflex. Nach der Bedrohung  entladen Tiere überschüssige Energie und Stress durch Abschütteln oder Zittern.  Dieser angeborene Mechanismus schützt sie vor  traumatischen Folgeerscheinungen.

Auch Menschen reagieren auf eine lebensbedrohliche oder überwältigende Situation, indem Körper und Verstand große Energiemengen für die Flucht oder den Kampf aktivieren. Es kommt zu einer Blutzufuhr in den Muskeln und Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin werden freigesetzt. Der Körper ist in Alarmbereitschaft. Während der kämpfenden oder fliehenden Handlung wird die Energie entladen und die Stresshormone wieder abgesenkt. Kann der  Mensch jedoch nicht fliehen oder sich wehren, begibt er sich in einen Erstarrungszustand.  Instinktiv wählt er die Option des Totstellens als mögliche Überlebenschance. Um weniger Schmerzen zu fühlen, trennen wir uns, so Peter Levine,  von unserem Körper ab. Dabei wird die mobilisierte Energie eingefroren. Da sich der Mensch in der Regel nicht „abschüttelt“,  bleibt sie als blockierte Energie im Körper,  kann sich nicht entladen und bleibt im Nervensystem gebunden.

Diese unvollständige Auflösung der traumatischen Situation kann bewirken, dass der Organismus weiterhin auf die Bedrohung der Vergangenheit reagiert. D.h. Reaktionsweisen, Verhaltensmuster, Emotionen oder Gedanken im Hier und Jetzt sind mit den bedrohlichen vergangenen Erfahrungen gekoppelt.  Von der Körperebene ausgehend besteht unbewusst und unterschwellig eine ständige Angst vor einer Bedrohung. Wir können uns übererregt oder angespannt  fühlen.

Auswirkungen ungelöster Traumen können oft erst Jahre später auftreten, in Form von chronischen Schmerzen, Krankheiten, Angst, Panik, selbstzerstörerischen Verhaltensweisen, Sucht, Beziehungsschwierigkeiten oder sexuellen Störungen.

Traumatisierung in unterschiedlichen Schweregraden ist immer wieder Thema der Psychodrama Sexualtherapie. Ursachen eines Traumas, die in der Sexualtherapie thematisiert und bearbeitet werden, können beispielsweise sein: 

  • Körperliche, emotionale oder sexuelle Misshandlung in der Kindheit, Vergewaltigung,
  • Abtreibung oder Operationen im Unterleib oder im Genitalbereich,
  • unsanfte gynäkologische Untersuchungen,
  • schwere Geburten

Als Folge solcher traumatisierender Ereignisse geraten, so Levine,  Energiesysteme im Unterleib in einen Schockzustand.  Das kann zu einem Verlust von Vitalität führen  sowie Auswirkungen auf das erotische Erleben und den sinnlichen Genuss haben.

Weitere überwältigende Ereignisse, welche die Bindungsfähigkeit und die Beziehungsebene betreffen sind: Vernachlässigung, Verrat oder  das Verlassenwerden in der Kindheit, Erfahrungen oder das Miterleben von Gewalt.

Besonders schwerwiegend wirkt sich für ein Kind ein sexueller Missbrauch von Familienangehörigen aus. Wenn ein Kind eine bedrohliche Situation erlebt, sucht es in der Regel Schutz bei seinen Bezugspersonen. Aber wie verunsichert und verängstigt muss ein Kind sein, wenn es gerade von einer Person, die es beschützen soll, verletzt und missbraucht wird. Nach Levine untergräbt solch eine Doppelbotschaft das Selbstgefühl und das Vertrauen in die eigenen Instinkte.

Ziel der Trauma Therapie nach Peter Levine ist es die erstarrte Energie wieder  zum Fließen zu bringen, um wieder zu neuer Lebensenergie zu gelangen.

Sie müssen sich nicht bewusst an ein Ereignis erinnern, um von ihm geheilt zu werden. Es ist ein großer Unterschied, ob man ein Trauma noch einmal aufsucht oder ob man es noch einmal erlebt. Eine Traumatisierung erfolgt vorrangig auf einer instinktiven Ebene. Deshalb sind unsere Erinnerungen an überwältigende Erlebnisse als lückenhafte Erfahrungen in unserem Körper gespeichert und nicht in den rationalen Teilen unseres Gehirns. Wenn es uns gelingt, durch den „ Felt Sense“ Zugang zu unseren Körpererinnerung zu finden, können wir mit der Entladung jener instinktiven Überlebensenergie beginnen, die wir zum Zeitpunkt eines bestimmten Ereignisses nicht einsetzen konnten. Peter Levine, „Vom Trauma befreien“ S 39

In seinen Büchern „ VOM TRAUMA BEFREIEN“ (Peter A. Levine) und vom „VOM SCHMERZ BEFREIT“ (Peter A. Levine und Maggie Phillips), auf die ich mich in meinen Ausführungen beziehe, beschreiben die Autoren ein Übungsprogramm, das traumatisierten Personen helfen soll, die im Nervensystem verbliebene Energie zu entladen. Inhaltlich sind die beiden Bücher sehr informativ, verständlich und gut nachvollziehbar geschrieben. Beigefügt ist jedem Buch eine CD, auf denen die Übungen zur Selbstanwendung klar angeleitet werden.

In diesem Programm zur Trauma Heilung geht es darum, den (schmerzenden) Körper nicht als Feind sondern als Verbündeten zu sehen und ihn als Ressource zu nutzen. Im Vertrauen, dass unser Körper angeborene Selbstheilungskräfte besitzt, können Trauma Symptome mit speziellen Körperbewusstseinsübungen wieder rückgängig gemacht werden. Traumatisierte Menschen sollen wieder die Fähigkeit zur Selbstregulation erlangen.

Ich möchte auf einige Übungen des Buches/der CD „ VOM TRAUMA BEFREIEN“ eingehen.

Im 1. Teil des Programms „VORBEREITUNGSPHASEN“ geht es beispielsweise um Übungen, die dem Körper Sicherheit und Halt geben. Körpergrenzen werden über Klopf- und Muskelübungen wieder gefunden und gespürt. Levine beschreibt den Körper als „Gefäß für Empfindungen und Gefühle“. Traumatisierte Personen können oft eigene Körpergrenzen nicht spüren. Das kann zur Folge haben, dass auch in Beziehungen schwer Grenzen gesetzt werden können. Über das Klopfen der Haut und das Drücken der Muskulatur lernen wir Haut und Muskulatur als Körpergrenzen wahrzunehmen, welche unsere Empfindungen und Gefühle halten und umschließen.   Bindfaden- Grenzübung: Wenn auch das Setzen von Grenzen in Beziehungen schwer fällt, kann man  mit einem Wollfaden seine persönliche Grenze legen, die nicht überschritten werden darf.

Des Weiteren folgen im 1. Teil Übungen zur Erdung und Zentrierung sowie zur Ressourcenbildung

Im  2. Teil “ DIE KUNST DES SPÜRENS“ wird vermittelt wie wir über den „Felt Sense“ d.h. über den Körperspürsinn die Sprache des Körpers verstehen lernen und mit ihm zu kommunizieren können. Der Begriff „Felt Sense“ stammt von Eugene Gendlin, dem Autor des Buches „Focusing“. Die Arbeit mit dem „Felt Sense“ bildet die Grundlage die Sinnesempfindungen des Körpers zu verstehen. Körperliche Empfindungen sind im Gegensatz zu Gefühlen und Gedanken im Körper lokalisiert und werden auf eine körperliche Weise erlebt. Kribbeln, Muskelspannung oder Lockerung, Atmung, Herzschlagfrequenz sowie auftauchende Bilder, Farben, Gestalten, Erinnerungen, Emotionen sollen achtsam wahrgenommen und beschrieben werden.

Pendelübungen: Es soll zwischen Bereichen des Wohlfühlens und des Schmerzes hin- und her gependelt werden und in die jeweiligen Körperempfindungen hinein geatmet werden.

Im 3.Teil  der Übungen „AKTIVIERUNG ENTLADEN“ wird mit den Überlebungsreaktionen gearbeitet. Handlungsabläufe, die während der bedrohlichen Situation nicht abgeschlossen werden konnten, können durch diese Übungen zu einem Ende kommen und die blockierte Energie wird Schritt für Schritt entladen. Auf diese Weise gelangen wir wieder zu unserer vollen Energie.               
Übungen:
 „Die Kampfreaktion: Natürliche Aggression im Unterschied zu Gewalt
Die Fluchtreaktion: Natürliche Flucht im Unterschied zu Angst

Stärke und Spannkraft im Unterschied zum Zusammenbruch und Niederlage
Angst von der Erstarrungsreaktion abkoppeln“

Im 4. Teil geht es um die „RÜCKKEHR ZUM GLEICHGEWICHT“, um Orientierung (sich von der inneren zur äußeren Umgebung und zu sozialen Bindungen hinbewegen), um „zur Ruhe zu kommen“ und um Integration.

Unterscheidung bzw. Verbindung von Somatic experiencing zu Psychodrama

Im Gegensatz zu Peters Levine´s körperorientierter Trauma Heilungsmethode gehen wir im Psychodrama davon aus, dass das Durcharbeiten (im Sinne einer Konfrontation unter kontrollierten Bedingungen - vgl. "sicherer Ort") der Traumatisierung in der Therapie notwendig ist, wenn sich an der Trauma Erfahrung etwas verändern soll. (Krüger 2002). Insofern unterscheiden sich die beiden Ansätze.

Ich gehe an dieser Stelle in aller Kürze auf die Trauma Bearbeitung im Psychodrama ein. Im Psychodrama arbeiten wir mit traumatisierten Personen in 3 Phasen:

1. Stabilisierungsphase

Am Beginn der Trauma Behandlung erfolgt eine lange Stabilisierungsphase, in der Ressourcen erarbeitet werden.
Die Etablierung eines „ inneren sicheren Ortes“ und „ innerer Helfer“, sowie der „Tresorübung.“ Diese Imaginationstechniken wurden von Reddemann/Sachsse entwickelt  und psychodramatisch von Hildegard Pruckner modifiziert. D.h. der „sichere Ort“ wird im Psychodrama von der inneren Vorstellung durch den Szenenaufbau nach außen auf die Bühne gebracht und dargestellt. „Innere Helfer“ werden durch Intermediäre Objekte (Handpuppen, Stofftiere) symbolisiert.  Weitere Stabilisierungstechniken sind die ressourcenorientierte Lebenslinienarbeit sowie die Übernahme positiv besetzter Rollen bzw. Rollenanteile.

2. Phase: Trauma Exploration

  • Monodrama: Die Trauma Szene wird auf einer abgegrenzten Spielbühne mit Intermediären Objekten aufgebaut. Die/der TherapeutIn kann in der Hilfs-Ich- Rolle den Szenenaufbau übernehmen. Die/der KlientIn  gibt Anweisungen aus dem „sicheren Ort“.
  • Psychodrama-Gruppe: Das Vorspielen der Trauma Szene soll nach Hildegard Pruckner durch eine Gruppe geschulter Hilfs-Ichs mit Traumatherapie Erfahrung erfolgen. Dabei wird die  Spiegeltechnik angewendet. Die/der KlientIn beobachtet mit der/dem Therapeutin/en wie ein Double in der Trauma Szene handelt.
  • Bildschirmtechnik (übernommen von der Hypnotherapie) Psychodramatisch modifiziert durch den „Szenenaufbau des geschützten Raumes.“ Die Trauma Szene wird, vom „geschützten Raum“ aus,  wie auf einem Bildschirm betrachtet und erzählt. Die/ der KlientIn übernimmt die Rolle der/des Beobachterin/ers und leitet aus dieser Perspektive  wie eine/ein  RegisseurIn die Trauma Szene aus sicherer Distanz an.
  • Spielen von Wunschszenen, um das Traumaerleben positiv zu verändern.

3. Phase: Reflexion und Integration

Levine`s körperorientierte Methode halte ich für sehr bereichernd. Sie lässt sich in das Psychodramakonzept gut integrieren und gibt uns einen intensiveren, tieferen Einblick in das Körperbewusstsein.

Das Verbindende der beiden Ansätze ist, dass die Einbeziehung der Körperebene im Psychodrama durchaus sehr wichtig ist. Das achtsame Wahrnehmen der Körperempfindungen ist Teil der psychodramatischen Arbeit. Im Psychodramaspiel können wir z. B. Personen, Gefühle, Körperteile und vieles mehr  auf die Bühne bringen und szenisch darstellen. Und gerade beim Spielen von Körperteilen, speziell in der Sexualtherapie, wenn der Protagonist in die Rolle der Haut , des Bauches, der Brust oder der Geschlechtsorgane geht, erkundigt sich die/der TherapeutIn immer wieder nach dem Körperempfinden der/des KlientIn. „Was spürst du jetzt in deinem Bauch? Wie fühlt sich das an?“

Ziel des Psychodramaspiels ist es,  die dargestellte problematische Szene  bzw. Situation der/des Klientin/en zur heilenden Szene zu verändern.

„Jedes wahre zweite Mal ist die Befreiung vom ersten.“ Jakob L. Moreno (1980: 28) zitiert nach Ch. Stadler, S. Kern "Psychodrama" 2010, S22

Im szenischen Spiel werden die Körperebene (Körperempfindungen), die psychische Ebene (Gefühle) und die Verstandesebene (Reflexion) miteinander verbunden. Das Bewusstwerden und Verstehen erfolgt also über Körper, Geist und Seele. Und letztlich geht es auch in einer gelungenen Sexualität darum, Körperempfindungen bewusst wahrzunehmen und sinnliches Erleben zu genießen. Und das wollen wir unseren Klienten in der Psychodrama Sexualtherapie vermitteln.

Quellen:

Peter Levine, „Vom Trauma befreien“ , Kösel 2007

Peter A. Levine und Maggie Phillips, "Vom Schmerz befreit“, Kösel 2012

Christian Stadler, Sabine Kern, "Psychodrama",  VS Verlag 2010

www.somaticexperiencing.at
www.somatic-experiencing.de

www.youtube.com/watch?v=ByalBx85iC8

“Trauma-Heilung – Das Erwachen des Tigers“, Synthesis 1998
“Verwundete Kinderseelen heilen“, Kösel 2006

Autorin:  Maria Schatovich-Kiss, MSc, ist Diplompädagogin, Psychotherapeutin (Psychodrama) und Psychodrama Sexualtherapeutin in Eisenstadt/Burgenland, arbeitet in freier Praxis www.mariaschatovich-kiss.at


Inputs von Stanley Keleman

geb. 1931, ist Begründer der formativen Psychotherapie und gilt als Pionier der Körpertherapie. Er ist Direktor des Center for Energetic Studies in Berkeley und hat in den USA und Europa Studien über die Strukturen des Körpers in Bezug auf seine emotionalen, sexuellen und imaginativen Aspekte menschlicher Erfahrung gemacht.

In der formativen Psychotherapie stehen die körperliche Organisation im Mittelpunkt der Betrachtungen basierend auf der Erkenntnis, dass Geist und Körper untrennbar miteinander verbunden sind und sich ständig gegenseitig beeinflussen. Diese Annahme wird von den Neurowissenschaften unterstützt die nachweisen konnten, dass bewussten Prozessen in unserem Gehirn unbewusste vorausgehen. D.h. noch bevor unser Gehirn den bewussten Befehl zu einer bestimmten Bewegung gibt, haben bereits unbewusste Prozesse im limbischen Gehirn zu dieser Bewegung stattgefunden. Vice versa können Bewegungen und Körperanspannungen die Psyche beeinflussen, oder um es mit den Worten von Charlie Brown (geschrieben von Charles M. Schulz) zu sagen: „Wenn ich die Mundwinkel nach oben ziehe, ist das ganz schlecht für meine Depression.“

Das Leben formt den Körper

Nach der Auffassung Kelemans ist der Mensch ein sich selbst formender Organismus, der in einem ständigen Prozess neue Formen schafft, um sich auszudrücken. Die zugrunde liegende Kraft ist die Pulsation, beginnend auf Zellebene, in Organen, Bindegeweben, Knochen und allen Strukturen des Körpers. So führt z.B. eine Blockade der Pulsation zu unterschiedlichen Ausformungen des Organismus. Daraus hat er drei verschiedene Körperformen bzw. Konstitutionstypen entwickelt.

Formen der Liebe

In seinem Buch „Formen der Liebe“ beschreibt Keleman diese Konstitutionstypen und deren Art zu lieben. Das sind der mesomorphe, der ektomorphe und der endomorphe Konstitutionstyp, die auch an ihrem Körperschema gut erkennbar sind. Der mesomorphe Typ ist aktiv, leistungsorientiert und ein Krieger. Der ektomorphe Typ ist aufmerksam, sensibel, ein Sammler von Sinneseindrücken. Der endomorphe Typ ist gesellig, geduldig und ein Versorger anderer Menschen auf der Suche nach Intimität und Nähe.

Die 4 Phasen der Liebe

Was Liebe ist erfahren wir als Kind in unserer Familie und in unseren Interaktionen mit erwachsenen Bezugspersonen. Unsere Empfindungen entstehen aus der individuellen Anatomie und der Qualität der Bindungen seitens der Bezugspersonen in den verschiedenen Wachstumsphasen. Keleman bezeichnet die vier Phasen der Liebe als Fürsorge, Anteilnahme, Austausch und Kooperation.

So bestimmt die jeweilige somatische Konstitution des Menschen in Verbindung mit der erfahrenen Qualität der Liebe, wie als Erwachsener Beziehungen gestaltet und Liebe, Nähe und Intimität ausgedrückt wird.

Mit Hilfe der Körpertherapie sollen z.B. über Berührungen, Atmung, Muskel An- und Entspannung bzw. Körperübungen diese Verhaltensweisen bewusst gemacht und verändert werden können.

Psychodrama – wo fühlst du das im Körper?

Als Cranio-Sacral Therapeutin kann ich dem psycho-somatischen Ansatz und der körperbezogenen Therapie sehr viel abgewinnen, insbesondere da ich mit der Pulsation arbeite. Die Wirkung sanfter Berührungen zum aktivieren des Zellgedächtnisses und Auflösen emotionaler Belastungen habe ich in meiner Arbeit schon oft erlebt.

In Verbindung mit einer Aufstellung frage ich immer nach, wo die Emotion im Körper spürbar ist und erhalte dadurch wertvolle Hinweise. Für den Protagonisten ist es ein Zeichen, dass er ein stimmiges Bild dargestellt hat und der Zusammenhang von belastender Situation und Körpersymptom wird umso klarer.

Somatische Beschwerden und Krankheiten können in einer Aufstellung auch einen eigenen Platz bekommen und mittels Rollentausch erfahrbar gemacht werden. In der Sexualtherapie wäre z.B. auch ein Rollentausch mit dem angespannten Muskel, der Haut, der Brust oder dem Penis möglich, um sensorische Eindrücke spürbar zu machen.

Quellen:

„Formen der Liebe“ von Stanley Keleman

AutorIn: 

Angelika Erz, http://www.die-mitte.at


Inputs aus dem Neo-Tantra

Der Begriff Neontantra leitet sich vom Wort Tantra ab. Tantra ist eine alte mit dem Hinduismus verbundene Liebeslehre und –technik. Tempelanlagen mit unglaublich schönen sexuellen Darstellungen sowie Bilder legen Zeugnis davon ab. Das Prinzip der männlich-weiblichen Wechselwirkung wie Ying und Yang wird dabei explizit im Sexuellen betont.

Neotantra geht zurück auf einen indischen Philosophieprofessor, der unter den Namen Bhagwan und Osho berühmt und auch berüchtigt (mörderischer Sektengründer in Oregon) werden sollte. Sein zuerst in Poona (Indien) Mitte der 70er Jahre gegründeter Ashram (Lehrstätte für Yoga, Tantra und spirituelle Entwicklung) wurde zu einem Anziehungspunkt für enttäuschte westliche Kommunisten, ernüchterte Linke und von Flowerpower Bewegte.

Es ging um Liebe, freie Liebe, Sexualität als Befreiungslehre. In diesem Punkt bezieht sich Bhagwan auf Wilhelm Reich, Bioenergetische Analyse von Lowen und philosophische westliche Einflüsse. Er holte die Menschen dort ab, wo sie standen: desorientiert, verunsichert, er bot Orientierung.

Bewährte Techniken waren Kundalini (eine Schüttelmeditation), Massagen, die Ermutigung zu sexueller Praxis und elendslange Ansprachen von Bhagwan an seine Jünger, in denen er höchst widersprüchlich die Welt erklärte. Der finanzielle Erfolg führte aber schließlich auch zum Zusammenbruch des Bhagwansystems aufgrund von Größenwahn und Sektenbildung in Oregon. Diese verübte einen Anschlag auf die örtliche Bevölkerung mit Salmonellen. Viele Kinder der Kommunenmitglieder dieser Zeit trugen schwere Schäden davon.

Neotantra heute

Auch wenn das Wirken von Bhagwan wenig erfreulich wurde, so war es doch so, dass Lehren von Wilhelm Reich, Massagetechniken, bioenergetische Übungen, Abbau von sexuellen Hemmungen ein auch von Bhagwan mit gestaltetes Bleibendes wurde. Seine wesentliche heute aktive Schülerin ist Diana Richardson. In ihrem Buch Slow Sex bietet sie eine Reihe von sinnvollen und hilfreichen Übungen an.

Die Technik der sexuellen Vereinigung ohne Erektion des Mannes, die von ihr „weiche Penetration“ genannt wird, sei hier genannt. Der Ansatz kann durchaus als sehr hilfreiche sexuelles Trauma reduzierende Technik angesehen werden

Sie spricht von Liebemachen und nicht von Sex und hat dafür schöne Zugänge. Diese kommen eben aus den oben genannten Quellen.  

Sie sieht die beim vaginalen Verkehr üblichen Bewegungen und den Orgasmus als zerstörend für das Liebemachen an, da daraus „heiße Energien“ (Aggressionen) ausgehen würden, man sollte jedoch immer im coolen Bereich bleiben, so ihre Theorie

Unser persönlicher Zugang

Wir kennen Diana Richardson schon lange. Im Juni 2013 haben wir bei ihr ein einwöchiges Training gemacht, das uns auch gut gefallen und gut getan hat. Sie ist eine sehr nette Person und führt eine Gruppe von 25 Paaren! Es kommt dabei zu keinen sexuellen Aktivitäten, diese solle die Paare alleine und ungestört machen.

Verbindung mit Psychodramasexualtherapie

Die Gemeinsamkeit liegt wohl im Besonderen in der Achtsamkeit und Bezogenheit auf das, was der Körper braucht um Liebe leben zu können, Sex lustvoll lebendig erleben und erhalten zu können. Die Begegnung des Paares im Liebesleben und Sexualspiel ist etwas Besonderes und in langandauernden Beziehungen sehr Fragiles. Richardson setzt Berührung  durch Massage, körperlichen einfühlenden Kontakt in ähnlicher Weise als wesentlich in ihrer Arbeit ein. Traumatisierung kann durch bestimmte Übungen reduziert werden, auch das ist sehr ähnlich.

Resümee

Neotantra ist ein durch Diana Richardson prominent vertretener Ansatz zur Verbesserung der sexuellen Beziehung von Paaren, deren Sexualität verkümmert (ist). Für die Behandlung von sexuellen Störungen scheint sie uns nicht ausreichend geeignet, da keine therapeutische Hilfestellung gegeben wird und gegeben werden kann. Übungen von Richardson eignen sich gleichwohl für sexuell traumatisierte Menschen sehr gut.

Kritik

Die Ablehnung der sexuellen Begegnung als auch gerade deshalb lustvoller, weil auch bewegender (Rein-raus-Bewegungen) und im Orgasmus endender Liebesakt und Vereinigungsmoment teilen wir überhaupt nicht.

Da finden wir Wilhelm Reich sehr viel lebendiger: Er sieht im Orgasmus Reflex eine, wenn nicht die Möglichkeit, Befreiung von Stress und Spannung zu erreichen. Und er schreibt ihm die Kraft zu, Menschen resistenter gegenüber autoritären Strukturen zu machen.

Lustvolle Menschen würden sich weniger gern und leicht in Sinnloses und Einschränkendes einfügen lassen. Die Forschungen bestätigen ihn auf jeden Fall in Hinsicht darauf, dass Sexualität ein wichtiges Stressniveauregulans ist: Sexuelle Aktivität senkt das Stressniveau.

 

Literatur

Diana Richardson: Slow Sex

Film: Guru: Bhagwan, His Secretary & His Bodyguard https://www.youtube.com/watch?v=3cDgOf2Om28

https://www.youtube.com/watch?v=Tl1MANDpawo

http://www.connection.de/index.php/magazintexte/32-special/160-neo-tantra

http://www.spiritual-tantra.de/curriculum/neo-tantra

http://diamond-lotus.eu/ueber-uns/was-ist-tantra/

Autorin: DSA Manuela Hofer, Psychotherapeutin, Paar- und Sexualtherapeutin in Linz

Bildquelle: spirutual-tantra.de, Berlin


Inputs von John Mordechai Gottman, Ph.D

(* 1942) ist ein US-amerikanischer Psychologe und emeritierter Professor für Psychologie an der University of Washington.

Glückliche Partnerschaften gestalten

Der amerikanische Wissenschaftler John M. Gottmann beforscht mit seinem Forschungsteam nun seit mittlerweile mehr als 30 Jahren Paarbeziehungen – „real live – in echt“ – in seinem „Ehelabor“, einem mit Kameras und Mikrophonen ausgestalteten Appartement. Seine Forschungsergebnisse aus Langzeitbeobachtungen von hunderten Paaren, die er in seinen Büchern ausgiebig für das breite Publikum beschreibt, klingen oft vordergründig recht simpel und trivial – sind jedoch bei genauer Betrachtung eine vielfältige Quelle für Anregungen, wie Partnerschaft gelingen kann.

Ein wesentliches Credo lautet, dass tiefe Freundschaft zwischen zwei Menschen die Basis jeder glücklichen langjährigen Partnerschaft ist. Damit meint er  - wie er auf Seite 21 in „Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe“ beschreibt - Folgendes:

[...] gegenseitigen Respekt und Freude an der Gemeinschaft mit dem anderen. Diese Partner kennen einander meist sehr genau – sie sind alle sehr vertraut mit den Vorlieben, Abneigungen, persönlichen Eigenarten, Hoffnungen und Träumen des anderen. Sie pflegen eine ständige Achtung voreinander und geben dieser Zuneigung nicht zu besonderen Anlässen Ausdruck, sondern auch in den kleinen Dingen, tagein, tagaus. Zit. J.M.Gottman.

Glückliche Ehen sind niemals perfekte Verbindungen: Oft gibt es klare Unterschiede in Temperament, Interessen, Wertvorstellungen. Gerade hier gibt es natürlicherweise Konflikte - das Geheimnis einer funktionierenden Beziehung liegt laut Gottmann unter anderem darin, wie sich Paare durch schwierige Zeiten durchmanövrieren.

Rettungsversuche

Ich lege einen ausgewählten Aspekt näher dar, der mir hierfür sehr wesentlich erscheint: nämlich, wie Paare sogenannte „Rettungsversuche“ in Konfliktsituationen gestalten. Rettungsversuche reduzieren die emotionale Spannung zwischen PartnerInnen und senken das Stressniveau. Ein zu hoher Stresslevel resultiert oft in Abblocken, Mauern, Abwenden der PartnerInnen voneinander – Kränkungen sind die Folge. Und die können lange ihre Wirkung zeigen. Was sind nun diese sogenannten „Rettungsversuche“?

In emotional intelligenten Ehen sind diese sehr vielfältig – manchmal ist es ein bestimmter Gesichtsausdruck, ein gegenseitiges Zunge-Rausstrecken, ein liebevoller Boxer, Humor – einfach etwas, was das Herz des anderen berührt, beruhigend wirkt und deeskaliert. Und somit einen Ausbruch aus dem für Beziehungen verheerenden Kreislauf von Verachtung, Rechtfertigung und Reizüberflutung (Stress) während des Konfliktes ermöglicht. Beide Partner können sich beruhigen, den Streit vorerst beenden, eine Pause machen und nochmals in sich gehen und wahrnehmen, was sich gerade abspielt, was der eigene Beitrag dazu ist und - wenn möglich – sich entschuldigen oder andere Aktionen setzen. Danach schaut die Lage oft schon ganz anders aus. Gefühle, Bedürfnisse, frustrierende Erlebnisse können mit etwas Abstand betrachtet werden und erscheinen in einem anderen Licht und werden dem/der anderen verständlicher.

Verbindung zum Psychodrama

Gottmanns Forschungsergebnisse können psychodramatisch überprüft werden: Indem Paare im geschützten Rahmen einer Psychodrama-Paartherapie ihre typischen Alltagskonflikte darstellen, wird deutlich, ob und wie und von wem Rettungsversuche inszeniert werden. Das Paar kann seine/ihre gemeinsame Kreativität nützen, um die „emotionale Intelligenz“ als Paar weiterzuentwickeln und z.B. unter therapeutischer Anleitung neue Rettungsversuche entwickeln, die für beide im Alltag anwendbar und annehmbar sind.  Dabei darf auch gelacht werden – was ja für Paare durchaus von Vorteil ist, die eigenen Schwierigkeiten mit einem humorvollen Blick betrachten zu können. Gemeinsam lachen und weinen – das versöhnt.

Buchtipp: John M. Gottmann „Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe“

Interview mit J.M. Gottman, The mathematics of love, zu seinem aktuellen Buch.

Zu einer Rezension auf Deutsch und zum Begriff der vier apokalyptischen Reiter der Paarbeziehung

Autorin: Monika Bachler, www.monikabachler.at


Inputs aus dem Hamburger Modell

Das Hamburger Modell der Paartherapie (Arentewicz u. Schmidt 1980, 1986, 1993) wurde auf der Basis der Ansätze von Masters und Johnson (1970), Lobitz und LoPiccolo (1972), Kaplan (1984) und anderen vom Therapeutlnnenteam an der Hamburger Abteilung für Sexualforschung entwickelt.

Quelle: 3-sat, scobel: Das Paar ist der Patient - Die Methoden in der Sexualtherapie

Der Gynäkologe William Masters und die Psychologin Virginia Johnson erforschten in den 1950er und 1960er Jahren in den USA das menschliche Sexualverhalten und leisteten Pionierarbeit auf dem Gebiet der Paartherapie. Ein Ergebnis ihrer Studien: Sexuelle Störungen ansonsten gesunder Menschen entstehen häufig durch Konflikte in der Paarbeziehung. Ein guter Ansatz, der aber erst viel später von der Psychotherapieforschung aufgegriffen und bestätigt wird.

Zuvor hatten psychoanalytische und tiefenpsychologische Schulen sexuelle Störungen wie jede andere Problematik behandelt, allerdings mit geringem Erfolg. Uwe Hartmann ist Professor für Sexualwissenschaften an der Medizinischen Hochschule Hannover. Er sagt: "Auch wenn Masters und Johnson keine Therapeuten sondern Forscher waren, haben sie mit ihrem Therapieentwurf einen genialen Forschungsansatz geliefert und viel vorweggenommen."

Negative Erfahrungen durch positive Erfahrungen ersetzen

Auch in Deutschland wurde und wird die Behandlung nach Masters und Johnson angewendet. Dafür wurde sie entsprechend auf die hiesigen Verhältnisse angepasst, erweitet und als Hamburger Modell erfolgreich eingeführt. "Wir brauchen korrigierende Erfahrungen um uns verändern zu können", sagt Uwe Hartmann: "Wichtig sind positive Erlebnisse im Hier und Jetzt, die die negativen Erfahrungen, die hinter den Störungen stecken, wieder auslöschen können." In der Praxis sieht die Therapie so aus, dass ein Paar einmal wöchentlich zu einer Gesprächsstunde kommt. Parallel dazu wird die Sexualgeschichte beider Partner in Einzelsitzungen behandelt. Erfahrene Therapeuten können über gezielte Fragen das Kernproblem erkennen und organische Ursachen ausschließen.

Nach jeder Sitzung bekommt das Paar spezielle Übungen als Hausaufgaben. Die daraus gemachten Erfahrungen sind dann Gegenstand der folgenden Therapiestunden. Es ist ein Übungsprogramm, das Schritt für Schritt hilft, die Sexualität neu zu erlernen. "Die berühmteste Übung nennt sich Sensate Focus oder Sensualitätsübung, die meist als Streicheln übersetzt wird", so Uwe Hartmann: "Doch das ist zu einfach. Es geht nicht nur ums Streicheln, sondern vielmehr um das Wieder- oder Neuerleben von sinnlichem Körperkontakt. Damit sollen zum Beispiel Ängste, die Symptome verursachen, ausgeschaltet werden."

Sensate Focus oder Streichelübung

Die Übungen sind ganz klar strukturiert, das schafft - sind die Hindernisse einmal überwunden - Klarheit und Sicherheit. Es gibt zwei Stufen, bei Streicheln I wird ohne Einbeziehung der Genitalien gestreichelt, in Stufe II werden die Genitalien mit einbezogen. Danach kann in der Weiterarbeit der Penis in die Vagina eindringen und das Paar spielt mit der Erregung.

Es gelten zwei Regeln. Die Egoismusregel besagt, dass jeder/e eigenverantwortlich das tut, was er/sie tun möchte – und nicht das, von dem er/sie meint, dass es der/die andere wünscht. Dadurch wird die Selbstwahrnehmung gut gefördert.

Die Vetoregel erlaubt, kontraproduktive unangenehme Erfahrungen zu unterbrechen. Erst dann wird weiter gestreichelt.

Beide Regeln fordern Eigenverantwortung ein: Wie McCarthy entschieden betonen, können sexuelle Probleme nur gelöst werden, wenn die PartnerInnen die Verantwortung für die eigene Problematik übernehmen und dementsprechend handeln (und z.B. Einzelübungen durchführen und Eigenanteile reflektieren), statt immer den/die andere/n dafür verantwortlich zu machen. („Du hast ja nie Lust.“, „Du willst nur das Eine.“ etc.). Das Prinzip des wechselseitigen Gebens und Nehmens der Streichelübungen wiederum hilft dem Paar dabei, zu verstehen und lernen, dass das Liebesspiel Teamplay ist – und das Lösen sexueller Probleme Teamwork. Und damit beleben die Streichelübungen die emotionale und sexuelle Intimität eines Paares, Voraussetzung für Verlangen und Begehren. (McCarthy, 2003)

Ziel der Übungen ist nicht sexuelle Erregung! Aufgabe für das Paar ist, sich einerseits zu entspannen und zu beruhigen und andererseits gleichzeitig mit der Achtsamkeit im eigenen Körper und bei den eigenen Gefühlen zu bleiben und den/die PartnerIn ebenfalls auf somatischer und psychodramatischer Rollenebene wahrzunehmen. „Nachdem Sie jahrelang in emotionaler Taubheit gelebt haben, spüren Sie niemanden und niemand spürt Sie. Viele Partner spüren einander auch beim gemeinsamen Sex nicht mehr. Sie berühren einander zwar, sind aber innerlich nicht anwesend.“ (Schnarch, 2011, S. 331) Bei den Streichelübungen können sich alle Paarstrategien und Manöver abbilden, die auch im Alltag oder bei der Sexualität genutzt werden, um Nähe und Bindung zu vermeiden. Das Paar wird eingeladen, dies alles wahrzunehmen, zu besprechen, in die Stunde mitzubringen und trotz eventueller Schwierigkeiten beim Üben zu bleiben, um gemeinsam eine Rollenerweiterung zu schaffen.

Psychodramatisch gesehen bedeutet der Schritt, wieder Zeit miteinander zu verbringen und sich körperlich miteinander liebkosend und zugewandt zu beschäftigen, sich gemeinsam über den Rubikon in die Spontaneitätslage zu begeben und das in der sexuellen Störung eingeengte somatische und psychodramatische Rollenrepertoire zu erweitern. Das erfordert oft enormen Mut auf beiden Seiten. Nicht selten höre ich: „Ja hier in der Stunde bei Ihnen, da ist meine Frau weich, aber zu Hause ist sie kalt wie eh und je.“ Oder: „Hier sind ja Sie und soufflieren ihm (gemeint ist Doppeln, Anm. v. Verf.), aber zu Hause schweigt er mich an.“ Die Streichelübungen unterstützen das Paar außerdem dabei, perfekte Ziele (z.B. jeder Koitus muss zum Orgasmus führen, der Mann muss immer und überall mit jedem/r können etc.) aufzugeben und gegen imperfekte auszutauschen („Wir hatten ganz vergessen, wie tief und schön es sein kann, wenn wir nackt da liegen und uns einfach halten.“).

Es ist sehr wichtig, dem Paar klar zu machen, dass mit den Streichelübungen und den nachfolgend beschriebenen Vorübungen positive Veränderungen im Gehirn und Hormonhaushalt bewirkt werden und dass an Bindung, oder wie es David Schnarch in diesem Zusammenhang schön beschreibt, an der „kollaborativen Allianz“ und der Paardynamik gearbeitet werden kann. Auch Menschen, die nie positive Bindungserfahrungen gemacht haben, können dies dank der Plastizität des Gehirns miteinander neu erlernen. Das erfordert Geduld, aber es kann wunderbar und in ansteigenden Schwierigkeitsgraden an Themen wie Berühren, Nähe, Intimität, Vertrauen, Loslassen, Zulassen, Einlassen, Hingabe etc. gearbeitet werden.

Therapieformen und Einsatz von Medikamenten

Die Erfolgsraten dieser Therapien liegen zwischen 50 und 70 Prozent. Allerdings gibt es heute eine große Vielfalt an Therapien, was die Orientierung für Betroffene nicht ganz einfach macht. Auch der Blick ins Internet führt eher zu Verwirrung: Außer dem Hamburger Modell findet man dort syndyastische Paartherapie und systemische Paartherapie oder Kombinationen aus Tiefenpsychologie und Verhaltenstherapie. Letztendlich sind es aber nur verschiedene Namen für ein Programm, denn alle modernen Therapieformen basieren auf dem klassischen Modell von Master und Johnson.

So anerkannt die Therapieform ist, so umstritten ist unter Therapeuten der begleitende Einsatz von Medikamenten wie Viagra. Während die einen argumentieren, Medikamente können den Therapieerfolg entscheidend verbessern, entgegnen die anderen, das blaue Pillenwunder würde nur die Symptome behandeln und Ursachen überdecken. Da sich sexuelle Störungen aber nicht einfach überdecken lassen, hält die Mehrheit eine Kombination aus psychotherapeutischen Strategien und Medikamenten für durchaus sinnvoll. Uwe Hartmann sagt: "Der Patient merkt zwar, dass er nach Einnahme von Viagra eine bessere Erektion hat, aber seine sexuellen Probleme bestehen bleiben. Dadurch wächst die Motivation, sich um die eigentlichen Ursachen zu kümmern." Ein schneller Ersatz für eine psychologische Therapie gegen sexuelle Störungen werden Medikamente aber nicht sein.

Textinhalt - Quelle: www.sexmedpedia.com/

McCarthy, Barry und Emily, (2013), Das Verlangen entfachen

Schnarch, David, (2001), Intimität und Verlangen

Wichtige DozentInnen: http://www.institut-sexualtherapie.de/

http://www.ptk-nrw.de/de/mitglieder/publikationen/ptk-newsletter/archiv/...

AutorIn: 

M. Geiger und S. Kistler


Inputs von Masters & Johnson

Der Gynäkologe William Howell Masters und die Wissenschaftlerin Virginia Johnson leisteten in den 1950er und 1960er Jahren Pionierarbeit mit Untersuchungen über das menschliche Sexualverhalten. Sie zeichneten die ersten Labordaten über sexuelle Reaktionen des Menschen auf und widerlegten mit ihrer Arbeit viele falsche Vorstellungen über die Sexualität.

Gemeinsam publizierten sie zahlreiche Bücher und Aufsätze zum Thema menschliche Sexualität. Am bekanntesten ist das Buch Die sexuelle Reaktion, das seit seiner Erstveröffentlichung 1967 mehrfach neu aufgelegt wurde.

Schon vorher hatte Alfred Kinsey zwei Werke über das Sexualverhalten von Männern und Frauen veröffentlicht. Sie waren in ihrer Zeit sowohl revolutionär als auch umstritten. Kinsey hatte durch Befragungen zu erfassen versucht, wie häufig bestimmte Sexualpraktiken in der Bevölkerung auftraten. Im Gegensatz dazu wollten Masters und Johnson die Struktur, Psychologie und Physiologie des Sexualverhaltens untersuchen, indem sie Masturbation und Geschlechtsverkehr m Labor beobachteten und Messungen vornahmen.

Masters und Johnson zeichneten die ersten physiologischen Daten des menschlichen Körpers und der Geschlechtsorgane während sexueller Erregung auf. Außerdem brachten sie mit ihren Ergebnissen und Schlussfolgerungen zum Ausdruck, dass Sex eine gesunde und natürliche Aktivität ist und als Quelle der Freude und Vertrautheit genossen werden kann.

Vier-Stufen-Modell der sexuellen Reaktion

Eins der beständigsten und wichtigsten Ergebnisse ihrer Forschungen ist das Vier-Stufen-Modell der sexuellen Reaktion, das sie den „menschlichen Reaktionszyklus“ nannten, welchen sie in vier Stufen unterteilten:

  • Erregungsphase
  • Plateauphase
  • Orgasmus
  • Rückbildungsphase

Sexuelle Fehlfunktionen

Mit ihrem Versuch, Struktur, Psychologie und Mechanismen der Sexualität zu verstehen, legten Masters und Johnson gleichzeitig den Grundstein für einen theoretischen Ansatz in der Behandlung von sexuellen Fehlfunktionen und -verhalten.

Sie eröffneten in St. Louis eine Klinik zur Behandlung sexueller Probleme wie z. B. Impotenz, vorzeitigen Samenerguss und die Unfähigkeit, einen Orgasmus zu haben. Ihre Behandlungsmethoden basierten auf den Erkenntnissen ihrer Laboruntersuchungen: Surrogatpartnerinnen wurden zur Behandlung von vorzeitigem Samenerguss empfohlen.

Kritik

Einige Sexualforscher – insbesondere Shere Hite – haben sich darauf konzentriert zu verstehen, wie einzelne Menschen sexuelle Erfahrungen bewerten und was sie für sie bedeuten. Hite kritisierte Masters’ und Johnsons Arbeit, weil sie unkritisch kulturelle Einstellungen zum Sexualverhalten in ihre Forschungen einbezogen hätten.

Hites Arbeiten zeigten zum Beispiel, dass 70 % der Frauen, die beim Geschlechtsverkehr keinen Orgasmus haben, diesen leicht durch Masturbation erreichen können. Sie kritisierte Masters’ und Johnsons Meinung, dass durch die Stöße beim Geschlechtsverkehr die Klitoris ausreichend gereizt würde, um einen Orgasmus zu erreichen, und ihre Folgerung daraus, dass das Versagen hierbei Zeichen einer „sexuellen Fehlfunktion“ der Frau sei. Während sie nicht abstreitet, dass sowohl Kinsey als auch Masters und Johnson äußerst wichtige Schritte in der Sexualforschung taten, ist sie der Meinung, dass man den kulturellen und persönlichen Aufbau der sexuellen Erfahrung verstehen müsse, um Forschungsergebnisse zu erzielen, die auch außerhalb des Labors gültig sind.

Quelle: Wikipedia

AutorIn: 

Sabine Kistler